Otto-Breicha-Preis für Fotokunst 2024 geht an Sophie Thun
Sophie Thuns Arbeit stellt das fotografische Medium nicht nur auf den Kopf, sie lebt es. Seit 2014 richtet sie die Kamera auf sich selbst, wird gleichzeitig Fotografin, Model und Produzentin ihrer Werke. Was sie dabei einfängt, ist mehr als nur ein Abbild – es sind Porträts von Identität, Körper und der eigenen Sichtweise. Ihre Fotografie sprengt Konventionen und regt dazu an, gängige Vorstellungen von Repräsentation und Sichtbarkeit zu hinterfragen.
Thun verwendet die analoge Fotografie nicht als Starre, sondern als Prozess. Sie zerschneidet, vervielfältigt, fragmentiert und montiert ihre Bilder, sodass Identität und Körper als ständig veränderbare Größen erscheinen. Was wir in ihren Arbeiten sehen, ist der lebendige Akt der Veränderung, nicht das eingefrorene Bild. Die Fotografie wird so zu einer Art visueller Reflexion – mal auf sich selbst, mal auf das, was sie als Künstlerin darstellt.
Das Urteil der Jury: Emanzipation und Selbstbestimmung
Die Jury, bestehend aus Christa und Saskia Breicha, Anna Jermolaewa (Otto-Breicha-Preisträgerin 2021), Johan Nane Simonsen (Fotogalerie Wien), Harald Krejci (Museum der Moderne Salzburg) und Katharina Ehrl (Museum der Moderne Salzburg) begründet ihre einstimmige Entscheidung wie folgt:
"Sophie Thun fordert mit ihren Arbeiten die Grenzen des traditionellen fotografischen Prozesses heraus und stellt eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der (Technologie-) Geschichte der analogen Fotografie dar. Zudem sind ihre Bilder und Installationen nicht nur das Ergebnis analogen Fotografierens, sondern reflektieren das Medium auch als lebendigen Prozess. Seitdem Thun 2014 zum ersten Mal die Kamera auf sich gerichtet hat, ist sie zeitgleich Autorin, Model und Produzentin ihrer Fotografien. In diesen exponiert sie sich und ihren Körper und nimmt so Bezug auf den weiblichen Akt in der Kunstgeschichte. Durch ihre Arbeit verschafft sie zudem immer wieder anderen Künstlerinnen und Künstlern Sichtbarkeit. Ihre emanzipatorische Herangehensweise stellt sie in die Tradition wegweisender westlicher Künstlerinnen und trägt zu einer fortlaufenden Diskussion über Selbstbestimmung und die Repräsentation des weiblichen Körpers bei."
Der Preis ist mit 7.500 Euro höher dotiert als bisher und wird alle zwei Jahre vergeben. Die Werke der Künstlerin sind derzeit in ihrer ersten großen musealen Einzelausstellung im Museum der Moderne Salzburg zu sehen. Dort realisierte Sophie Thun eine umfassende Installation mit fotografischen Arbeiten über das gesamte erste Stockwerk.
Ihre Ausstellung„Sophie Thun. Zwischen Licht und Wand“ im Museum der Moderne Salzburg ist ein weiteres Beispiel für ihren künstlerischen Ansatz. Sie bespielt den gesamten ersten Stock des Museums und lässt ihre Fotografien in räumliche Installationen übergehen. Thun schafft Bilder, die mit unserer Wahrnehmung von Raum und Realität spielen, sie verändern sich je nach Perspektive – und fordern uns dazu auf, genau hinzusehen.
Für Thun geht es nicht nur um das Abbilden – es geht darum, was Fotografie für sie leisten kann: Sie zeigt uns den Moment, in dem sich Identität und Darstellung unaufhaltsam verändern. Ein Schritt, der die Grenzen der Fotografie neu definiert und der das Bild zu einem ständigen Prozess macht.