Was sind eigentlich Rara?
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In Museumsbibliotheken befinden sich häufig Publikationen, die für die jeweiligen Institutionen einen eigenen Wert besitzen: Künstlerbücher, illustrierte Bücher, bibliophile Sonder- und Vorzugsausgaben, Grafikeditionen, Fotobücher, Skizzenbücher, wichtige und inzwischen seltene Kataloge, Ephemera etc. Manche dieser Publikationen nehmen einen besonderen Status ein, zwischen „klassischem“ Bibliotheksbestand und musealen Sammlungsobjekt. Oftmals befinden sich solche „besonderen“ Publikationen in sogenannten Sonder- oder Spezialsammlungen der jeweiligen Bibliotheken, für die dann ganz andere Regeln gelten als für den „Normalbestand“: Aufstellung in eigenen Regalen, klimatisierten Magazinen oder versperrten Schränken; besondere Sicherung in säurefreien Archivkartons; keine Entlehnung und kein direkter Zugriff für die Nutzer_innen der Bibliothek; Nutzung nur nach Voranmeldung, nur zu bestimmten Zeiten, in bestimmten Lesesälen oder nur unter Aufsicht, etc.
Bereits seit der Gründungsphase des Museum der Moderne Salzburg finden sich im Inventarbuch über kunstwissenschaftliche Bücher immer wieder Einträge zu solchen besonderen Anschaffungen, die mit dem Vermerk „Studiensammlung“ oder „Zimelie“ als Spezialsammlung gekennzeichnet und getrennt vom übrigen Bestand verwahrt wurden – nämlich in den Zimelienschränken. Zimelie (griech. Kleinod) bezeichnet dabei eigentlich ein kostbares Buch oder ein seltenes Einzelstück, von mittelalterlichen Handschriften über alte, seltene Drucke bis hin zu besonderen Dokumenten, die es so vielleicht sogar nur mehr ein einziges Mal gibt. Eine öffentlich zugängliche Studiensammlung, in der Interessierten die direkte und vertiefte Auseinandersetzung mit Druckgrafik und Buchkunst geboten wird, blieb jedoch am Museum lange Zeit Utopie. Die dafür angeschafften Bücher, Editionen, Grafikmappen und dergleichen befinden sich bis heute in der Bibliothek sowie der Sammlung, wurden immer wieder ergänzt, jedoch oftmals kaum zugänglich gemacht.
Auch für die Generali Foundation stand das Buch als ein zentrales Medium der Konzeptkunst immer wieder im Fokus der Sammeltätigkeit. Vor allem Künstlerbücher sowie wichtige oder seltene Quellenwerke (Ausstellungskataloge, Zeitschriften, etc.) wurden so selbstverständlicher Teil des ehemaligen Studienraums. Heute befinden sich diese beiden, durchaus heterogenen Bestände im Studienzentrum und werden als Rara (lat. rarus „selten, vereinzelt“) geführt, ein Begriff, der insbesondere auf die Seltenheit und Besonderheit dieser Publikationen verweist und – ebenso wie jener der Zimelie – eigentlich an alte Drucke, illuminierte Handschriften und besonders kostbare Einzelstücke denken lässt. Doch was kann in einem Museum, das sich der modernen und zeitgenössischen Kunst und nicht dem frühen Buchdruck oder der mittelalterlichen Buchillustration widmet, unter Rara verstanden werden?
Nicht notwendigerweise sind diese Publikationen kostbar im Sinne von exklusiv oder von hohem monetärem Wert. Neben diesen Künstlereditionen, Vorzugs- oder Luxusausgaben, die bewusst limitiert wurden, oder längst vergriffene Künstlerpublikationen mit niedriger Auflagenhöhe, die daher selten sind und einen teilweise durchaus beträchtlichen Wert besitzen, sind es beispielsweise illustrierte Bücher, die in Massenauflagen vertrieben wurden, zugleich jedoch gleichberechtigter Teil eines künstlerischen Werks sind. Oder Künstlerbücher, die ursprünglich nicht als Sammelobjekt gedacht waren, sondern als alternative Möglichkeit Kunst zu machen und vor allem diese an einen weiten Rezipient_innenkreis zu verbreiten. Aber auch Ausstellungskataloge, Broschüren, Einladungskarten, sonstige Drucksorten und Publikationen, die mittlerweile einen besonderen dokumentarischen oder künstlerischen Wert besitzen, finden sich hier. Mitunter erzählen solche Objekte viel über die Geschichte der sammelnden Einrichtung. So steht im Rara-Schrank des Museum der Moderne Salzburg ein Werkverzeichnis zu Oskar Kokoschkas druckgrafischen Arbeiten, in dem die Anfänge der Sammlung sichtbar werden: Bei den jeweiligen Einträgen wurden die Inventarnummern der Sammlungsobjekte verzeichnet, das Werkverzeichnis diente also in der Frühphase des Sammlungsaufbaus als Nachweis- und Verzeichnisinstrument. Oder ein Sammlungskatalog der Generali Foundation, der von Künstler_innen der Sammlung signiert wurde.
All diesen Rara gemeinsam ist, dass sie als etwas Besonderes, etwas Anderes gelten als die restlichen Bücher, Kataloge und Zeitschriften in der Bibliothek. Sie dienen nicht nur dazu, sich zu informieren, über Kunst zu lesen und darin zu recherchieren, sondern sie sind teilweise selbst Kunst, auf alle Fälle Teil des kulturellen Erbes und werden somit zum Gegenstand von Forschung und Vermittlungsaktivitäten wie etwa Ausstellungen und Präsentationen. Rara zu sammeln, zu bewahren, zu vermehren und dem Publikum zugänglich zu machen, ist somit selbstverständlicher Teil der musealen Arbeit.
Information:
Der Rara-Bestand ist ebenso wie die allgemeinen Bibliotheksbestände im Studienzentrum einsehbar. Wir informieren Sie gerne über die konkreten Bestände, bitte vereinbaren Sie einen Termin (studienzentrum(at)mdmsalzburg.at).
Tipp:
All jenen, die noch mehr zum Thema Künstlerbuch lesen wollen, sei der Blog Kunst zwischen Deckeln https://bookarts.hypotheses.org/ der Bayerischen Staatsbibliothek sowie Das Kunstbuch https://daskunstbuch.at/ ans Herz gelegt. Wer lieber visuell durch virtuelle Sammlungen browst, die / der wird bei der kollaborativen Datenbank edcat.net https://edcat.net/ fündig.